Ein starkes Netzwerk für Familien

Vor 30 Jahren wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet, die Kinder als eigenständige Persönlichkeiten ins Licht rückt. Kinder-, jugend- und familienfreundlichstes Bundesland sein – um diese Vision zu verwirklichen, wurden in Vorarlberg 2009 die Frühen Hilfen (Netzwerk Familie) initiiert. Die Basis bildete das damals junge Forschungswissen, dazu dass sich durch ausreichende Unterstützung in der frühen Kindheit die Entwicklung, Gesundheit und Lebensqualität von Kindern nachhaltig positiv beeinflussen lässt.

Brücken bauen

Netzwerk Familie startete mit Pilotprojekten in zwei Bezirken. Es wird seit 2011 flächendeckend in ganz Vorarlberg umgesetzt. Fast 1600 Schwangere und Familien mit Kindern bis zu drei Jahren wurden bislang in belastenden Lebenssituationen unterstützt. Als Kooperationsangebot zwischen Gesundheits- und Sozialbereich kamen die Zuweisungen zunächst vorwiegend aus dem Gesundheitsbereich, z. B. nach der Geburt oder im Zuge der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen. Mittlerweile fragen ca. 40 % der Familien selbst an.

Vorreiter sein

Ob als Partner der Gesundheit Österreich GmbH zur Umsetzung der Frühen Hilfen auf nationaler Ebene oder bei der Durchführung der Ersten-Frühe-Hilfe-Tagung in Wien: Netzwerk Familie setzt neue Maßstäbe und wurde dafür u. a. als Best-Practice-Modell für die Bundesstrategie „Gesundheitliche Chancengerechtigkeit für Kinder“ ausgewählt. 2015 begann der Ausbau regionaler Frühe-Hilfen-Netzwerke in allen Bundesländern nach dem Modell Vorarlberg. Im selben Jahr feierte das österreichische Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH.at) seine Eröffnung.

Eltern stärken

In Vorarlberg wurden mit den Mitteln der Bundesgesundheitsagentur und des Landesgesundheitsförderungsfonds bindungsfördernde Maßnahmen eingeführt: Das Baby ABC mit der „Entwicklungspsychologischen Beratung“ und „SAFE“ kommt jungen Eltern zugute. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt: Der Bedarf an Angeboten zur Stärkung der Eltern-Kind-Bindung und Förderung der Elternkompetenz steigt.

Kindern einen guten Start ermöglichen

Mit dem österreichweiten Modellprojekt „Auf gesunde Nachbarschaft von klein auf“ des Fonds Gesundes Österreich startete zeitgleich ein kommunales Präventionsprojekt der Frühen Hilfen. Durch ein Familienlots*innen-System können Frühe-Hilfen-Angebote in Gemeinden verankert werden. Bislang profitieren in drei Gemeinden und einem Stadtteil Schwangere und junge Familien von diesem bereichernden Serviceangebot.

Im Austausch wachsen

Der regelmäßige Austausch für die praktische Umsetzung der Frühen Hilfen mit Vernetzungs- und Kooperationspartner*innen war und ist dabei zentral. Die aktive Mitwirkung bei Tagungen und die Durchführung von Workshops und Fortbildungen tragen zur Sensibilisierung ebenso wie zur Qualitätssicherung bei. 2019 führte Netzwerk Familie die erste 5-Ländertagung „Frühe Hilfen“ durch – ein Meilenstein für den Ausbau der Frühen Hilfen auf dem Weg zu mehr Chancengerechtigkeit für Kinder.

Kleinkinder die spielen. / copyright: istock.com/FatCamera

Neuen Herausforderungen begegnen

Die Anfragen an Netzwerk Familie wachsen jährlich um etwa zehn Prozent. Familien werden länger begleitet (durchschnittlich 16 Monate) und Belastungen sind zusehends komplexer. Immer gravierender ist auch das Thema Existenzsicherung: Fast 30 % der begleiteten Familien sind in finanziellen Notlagen. Betroffen sind Familien mit Babys und Kleinkindern, die in Armut leben oder armutsgefährdet sind, sich die Wohnung kaum leisten, den Lebensunterhalt nur schwer bestreiten können. Daran geknüpft sind Zukunftsängste, was Erziehung und Versorgung der Kinder anbelangt. Auch der Unterstützungsbedarf von Familien mit Kindern über drei Jahren ist immer wieder spürbar.

Sicherheit geben

Vermehrt sind psychische Erkrankungen der Eltern feststellbar. Dazu kommt, dass Familien oft sehr isoliert leben und über kein ausreichendes soziales Netz verfügen. Dafür ist der eigene Anspruch hoch, der Elternrolle gerecht zu werden. Man möchte alles perfekt machen, wobei zahlreiche Ratgeber verunsichern. Bei Herausforderungen sind Familien rasch an der Grenze. Wenn Eltern über positive Veränderungen durch eine längerfristige Begleitung von Netzwerk Familie sprechen, dann erzählen sie von mehr Selbstbewusstsein, abgebauten Hemmungen, weniger Schamgefühlen und schlechtem Gewissen sowie mehr Vertrauen in sich und andere.

An unserer gemeinsamen Vision arbeiten

Netzwerk Familie ist ein wirksamer Ansatz, vor und nach der Geburt so auf die Lebensbedingungen von Kindern einzuwirken, dass die Schutzfaktoren gestärkt und Belastungsfaktoren reduziert werden. Das Angebot schafft Bedingungen, die es Eltern und anderen Bezugspersonen ermöglichen, ihre Erziehungs- und Betreuungsaufgaben besser wahrzunehmen – zum Wohl der Kinder und mit positiven Auswirkungen auf Gesundheit und Lebensqualität der Eltern. Die politische Unterstützung der Frühen Hilfen zeigt, welche Wertschätzung die Öffentlichkeit Kindern und jenen Personen entgegenbringt, die sie in ihrer Entwicklung begleiten.

Autorin Christine Rinner:

Christine Rinner ist Sozialarbeiterin, Mediatorin und Familienberaterin. Sie ist Leiterin von  Netzwerk Familie  und war wesentlich an der Entstehung und Entwicklung des Frühe Hilfen Netzwerkes in Vorarlberg  beteiligt.