Anti-Stigma-Aktivitäten in Österreich: 1. Bestandserhebung

Das Stigma psychischer Erkrankungen ist ein komplexes Phänomen mit weitreichenden gesundheitspolitischen Konsequenzen. Im Zuge der Arbeiten am österreichischen Gesundheitsziel 9, „Psychosoziale Gesundheit bei allen Bevölkerungsgruppen fördern“ hat sich deshalb die Kompetenzgruppe Entstigmatisierung gebildet. Sie ist ein Mental-Health-in-All-Policies-Expertengremium. Ihre Aufgabe ist es u.a. Empfehlungen für ein Vorgehen gegen Stigma in Österreich erarbeiten. Als ersten Schritt dazu führte sie eine Bestandserhebung der Anti-Stigma-Aktivitäten in Österreich durch. Diese liegt nun in Berichtsform vor. Der Bericht besteht aus zwei Teilen. Teil 1 enthält einer Kurzbeschreibung der methodischen Vorgehensweise und eine Zusammenfassung plus Diskussion der wichtigsten Ergebnisse. Teil 2 ist ein Verzeichnis der Aktivitäten nach Interventionsebenen mit Beschreibungen aller berücksichtigter Aktivitäten.

Methode

Zur Erfassung der Anti‐Stigma‐Aktivitäten in Österreich wurde ein Erhebungsbogen entwickelt. Von Juni bis September 2019 wurde er mittels Schneeballverfahren über ausgewählte Verteiler versandt. Dabei hat man das Themenfeld Entstigmatisierung bewusst weiter gefasst. Neben den in der Anti‐Stigma‐Arbeit üblichen Bewusstseinsbildungsaktivitäten sind daher auch Aktivitäten zum Schutz vor Diskriminierung und zur Inklusion von Menschen mit psychischen Erkrankungen berücksichtigt. Die eingelangten Aktivitäten wurden nach Themenschwerpunkten, Interventionsebenen, Zielgruppen, Settings und Bereichen gruppiert und zusammenfassend beschrieben.

Ergebnisse

Über 200 Anti‐Stigma‐Aktivitäten sind erfasst. Rund 60 Prozent der Aktivitäten sind in erster Linie der Interventionsebene Bewusstseinsbildung zuzuordnen. Davon sind bei einem Drittel die Begegnung mit Betroffenen und die Verbreitung von Erfahrungsberichten wichtige Bestandteile der Intervention. Der überwiegende Anteil der Aktivitäten intitieren psychosoziale Versorgungs‐ und Gesundheitsanbieter. Darüber hinaus konnte man aber auch eine Reihe von Anbietern außerhalb des Gesundheitssystems erreichen. Manche Aktivitäten sind etwa auch aus den Bereichen Kunst und Kultur, Bildung, Sport, offene Jugendarbeit, oder Wohnungslosenhilfe. Zwei Drittel der Aktivitäten hat eine regionale, ein Drittel von ihnen hat eine überregionale Reichweite.

Diskussion

Es finden viele Einzelinitiativen zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen in Österreich statt. Internationale Empfehlungen sehen eine Bekämpfung von Stigma auf allen Interventionsebenen vor. Dies soll durch Koordination und Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Politik‐ und Gesellschaftsbereichen erreicht werden. Die zentrale Einbindung Betroffener stellt dabei den Kern dar. Es empfiehlt sich daher, die Bemühungen zu einem koordinierten Vorgehen im Sinne von Mental-Health-in-All-Policies weiter zu stärken. Außerdem sollten Partizipationsmöglichkeiten für Betroffene ausgebaut werden.